Ute
Ute mit ihrem Sprinter aus Deutschland. Kennengelernt im November 2023 in den Bardenas Reales in Nordost-Spanien.
Ute mit ihrem Sprinter aus Deutschland. Kennengelernt im November 2023 in den Bardenas Reales in Nordost-Spanien.
Da macht man im Winter noch die großen Pläne mit irrwitzigen Reisezielen und vielen spinnigen Ideen, bis einen der Arzt einbremst und zu verstehen gibt, dass die nächsten Monate erst mal ausgeträumt sind.
Schmerzen in der rechten Schulter und eine sofortige Schulter-OP im März verrückt die Prioritäten. Aber – der Capitano macht eine Bestandsaufnahme: linker Arm gut, Beine und Körper gut, Kopf meistens gut. Kein Grund, aufgrund von Depressionen in die „Klapse“ eingeliefert zu werden.
Nach 2 Wochen „postoperativer Ruhe“ wird wieder einarmig trainiert, gestöhnt, geschwitzt, und welch ein Wunder: entgegen aller Prognosen verläuft die Genesung doppelt so schnell wie gedacht. Ende April sitzt der Kapitano bereits im Segelflieger unter strenger Aufsicht von Corinne und hat die „große Klappe“.
Unser „Diercke Weltatlas“ wird entstaubt und neue Pläne werden geschmiedet, in der Hoffnung, daß die Schulter bis zum Herbst ihr o.k. gibt.
Arabische Halbinsel – Israel, Jordanien, Saudi Arabien, Oman, Vereinigte arabische Emirate und auf dem Landweg zurück über Kuwait, Irak, Türkei, Griechenland und die Balkanstaaten nach Deutschland.
Vorbereitung:
Visum, Carnet de passage, internationaler Führerschein, 2. Reisepass, Kreditkarten, Umwandlung der Krankenversicherungen mit englischer Police, internationaler Zulassungsschein, diverse Impfungen, Fahrzeugversicherung wird angepasst (Saudi-Arabien, Oman muss extra aufgeführt sein, und alles 3-sprachig). Reiseführer, Straßenkarten und etliches mehr. VPN Tunnels werden eingerichtet, Apps geladen, Navigationsdaten in Handys und Tablets übertragen.
Corinne kümmert sich um das Digitale, ich um die Hardware. Im Klartext:
Karli wird gewartet, repariert von der Elektronik bis zur Mechanik, überprüft, getüvt, und nach zwei Tagen in Düsseldorf bei IVECO West treten wir den Heimweg an.
Unser Steuergerät für die Wasseraufbereitungsanlage wird aufgrund eines Wackelkontaktes zum Hersteller verschickt und geht auch noch verloren. Unsere Stimmung fällt auf einen Tiefpunkt – der Frust zu DHL wächst ins Unermessliche und bereitet mir schlaflose Nächte. Das „verlorene Paket“ landet nach 2 Wochen wieder bei uns zu Hause. Die Zeit drängt. Wir wollen los. Wasseranlage noch immer defekt. Wir treffen uns zeitbedingt mit unserem „Wassermann“ Herrn Hartig an der Autobahn. Das Steuergerät wird kurzerhand getauscht und alle trennen sich in dem Glauben alles ist wieder gut.
Dann geht’s zu Harry Batari, unserem Fahrzeugbauer mit den „goldenen Händen“. Unser knapp 9 qm Wohnraum wird optimiert. Der Wassertank wird gefüllt, alles scheint zu funktionieren – aber es kommt immer anders, als man denkt. Der Wasserreaktor zickt herum, macht was er will, und Corinne bewahrt mich davor, in den Spiegel zu schauen. Ich sehe angeblich nicht ganz repräsentativ aus. Hat man da noch Worte. Der „Wassermacher“ Hr. Hartig kommt noch spät abends, der Support läuft auf Hochtouren. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Bis in die Nacht wird geschraubt, getestet, unter dem Motto „Alter forscht“. Keine Erklärung für das Problem, ein Austauschgerät findet ein neues Zuhause namens „Karli“ und der Capitano kann wieder in den Spiegel schauen.
Mitte Oktober war die Abfahrt geplant und erste Selbstzweifel machen sich breit. Vorfreude, Unsicherheit, Ungewissheit, Gefahr, Spannung und was es nicht so alles gibt.
Der erste Schritt ist immer der Schwierigste.
Ach, da war noch was:
Wir liegen in den letzten Reisevorbereitungen. Nicht „nine eleven“, sondern der 7.10.2023 hält die Welt in Atem. Die Hamas wütet in Israel. Eine Einreise über Israel wird unmöglich. Andere Optionen werden ausgelotet: Mit dem Frachter durch den Suez Kanal nach Akaba oder Jeddah. Alle unsere Bemühungen sind vergeblich, unseriös, zu teuer. Es hat nicht sollen sein.
Neue Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Wie wäre es denn mit Marokko????
Fortsetzung folgt.
Oktober/November 2022:
Wir sind noch 60 km vor der iranisch/türkischen Grenze. Bei 2 Cent/Liter werden die Dieseltanks nochmals randvoll gemacht. Der Grenzübergang selbst übertrifft dann all unsere Erwartungen. Chaotischer kann es nicht mehr sein. Als wir an das Tor rollen, glaubt man, eine Meute von Menschen hätte auf uns gewartet. Alle wollen behilflich sein, oder ist es nur Eigeninteresse einige Euro verdienen zu wollen? Zuerst lässt uns am „check in“ der Grenzbeamte eine halbe Stunde bei seinem Frühstück zuschauen nach dem Motto „Rien ne va plus“. Als er fertig ist, schaut er die Papiere an und will uns an einen anderen Grenzübergang verweisen. Dieser ist ja nur 500 km weiter. Wir haben ihn endlich überzeugt, daß wir bei ihm richtig sind. Wir werden von einem Schalter zum nächsten geschickt. Manche Vorgänge wiederholen sich mehrmals. Die Dieseltanks werden vermessen und das Tankvolumen muss versteuert werden. Die Frauen müssen zu Fuss über die Grenze, die Männer bleiben bei den Fahrzeugen. Immer wenn das Haupttor geöffnet wird, rennen alle wie von der Tarantel gestochen zu ihren Fahrzeugen, um in den Innenhof zu kommen. Dort steht man dann in einer Baustelle, die bereits seit vier Jahren besteht, ohne nennenswerte Baufortschritte. Das Tor selbst wird nur alle Stunde geöffnet. Dann können die nächsten zehn Fahrzeuge einfahren. Es folgen viele Passkontrollen, Fahrzeugdurchsuchungen, Röntgenkontrolle und undefinierte Wartezeiten, die uns Deutschen mit angeborenem Perfektionismus den letzten Nerv rauben. Nach fast sieben Stunden haben wir es geschafft. Corinne ist wieder bei mir und wir stehen auf türkischem Boden.
Wir haben die letzten Tage wieder etwas Getriebeöl verloren. Karli krankt, also nichts wie in die nächste IVECO Werkstatt in Van. Dort wird wieder der Simmerring gewechselt, in der Hoffnung, dass dieser besser abdichtet. Wir lernen Robert und Maria kennen, die ebenso ihr Fahrzeug dort zum Ölwechsel vorbeibringen.
Am nächsten Tag ruft das Abendland und wir ziehen Richtung Westen weiter.
Unser Heimweg führt uns über Griechenland – Nordmazedonien – Albanien – Montenegro – Bosnien-Herzegowina – Kroatien – Slowenien – Italien – Österreich nach Deutschland. Es ist, als ob jemand einen Schalter umgelegt hat. Alles ist sauber, geregelt, ordentlich und von einer kühlen Distanz der Menschen dominiert. An diese ungewohnten Momente müssen wir uns noch gewöhnen.
Viele Dinge müssen nach 6 1/2 Monaten Auszeit erledigt werden. Wir sind die ersten Wochen noch gar nicht richtig angekommen. Auch in Deutschland lohnt es sich zu leben. Doch unsere Gedanken schweifen schon wieder in die Ferne.
FAZIT:
Knapp sieben Monate waren wir unterwegs. Haben 23.000 km zurück gelegt. Genächtigt, gegessen, gelebt und viele schöne Momente genossen in einem 8 1/2 qm großen Wohnraum. Das mobile und autarke Reisen hat uns Spaß gemacht. Die Aufgabenteilung und das Zusammenleben zwischen uns beiden hat super geklappt, und natürlich gab es auch in dem ein oder anderen Fall heftige Diskussionen. Zusammen haben wir uns prima ergänzt und in schwierigen Situationen gegenseitig wieder aufgebaut. Die vielen Eindrücke von den Ländern und den Menschen müssen erst noch verarbeitet werden. Nur selten gab es Situationen in denen wir uns unwohl oder bedroht gefühlt haben. Wir können nicht wirklich sagen, wo es uns am besten gefallen hat. Jedes Land hat seine speziellen Reize und auch die Menschen mit ihren unterschiedlichen Kulturen waren für uns eine angenehme Herausforderung.
Was neu für uns war, ist das eigene vollverantwortliche Reisen in solch ferne Länder auf den eigenen vier Rädern und nicht vergleichbar mit den organisierten Fernreisen von Reiseveranstaltern.
Ebenso neu und unbeschreiblich war die nicht zu beschreibende Gastfreundschaft, vor allem in der Osttürkei und dem Iran. Für uns hat sich eine vollkommen neue Welt aufgetan mit all ihren reizvollen Facetten und Menschen, von denen wir Europäer bei einigen Themen vieles lernen können. Es war für uns eine Bereicherung in jeglicher Hinsicht und wir haben schon jetzt wieder Fernweh nach all diesen Ländern.
Oktober 2022:
Unser Kurs zeigt Nordwest Richtung iranisch-türkische Grenze. Das ein oder andere Mal denken wir an zu Hause. Wir machen Strecke, fahren jeden Tag 200 bis 300 km. Ganz anders, waren wir es doch gewohnt, wesentlich kürzere Distanzen zurück zu legen. Und als ob jemand den Schalter umlegt, wird es von heute auf morgen deutlich kälter. Wir schlafen wieder besser und morgens kommt die Heizung zum Einsatz. Ein erster Vorgeschmack auf Europa.
Die Unruhen und Prosteste haben zugenommen. Wir meiden Städte und Menschenansammlungen. Internet, WhatsApp und sonstige Kommunikationsmittel sind nicht mehr oder allenfalls sehr eingeschränkt nutzbar. Wir sind nahezu isoliert von der Außenwelt. Deutlich wird das, als unser Navi uns anzeigt, daß wir uns angeblich auf der Landebahn von Teheran befinden. Ich frage Corinne, ob sie das Gleiche sieht wie ich, oder ob das erste Anzeichen von Demenz sind. Tatsächlich, wir sind mitten in der Pampa, und nicht auf der Landebahn von Teheran. Ich bin beruhigt. Navigiert wird jetzt nach der Sonne und den Sternen. Haben doch schon unsere Vorfahren so gemacht.
Das Ende unserer Reise im Iran naht. Wir verbringen die vorletzte Nacht am Urmia-Salzsee und gnießen noch einmal die einmalige Natur. Heimweh nach Deutschland, als auch der nahende Abschied von diesem lieb gewonnenen Land machen sich bemerkbar.
In Khoy, der letzten Stadt vor der Grenze, haben wir ein gemeinsames Abendessen und lassen unsere Erlebnisse Revue passieren. Schwermut macht sich breit. Aber so ist das Leben. Am nächsten Morgen geht es an die Grenze.
Oktober 2022:
Diese Art von Reisen, wie wir es betreiben, ist spannend und voller neuer Eindrücke. Morgens wissen wir zwar in welche Richtung wir fahren. Ankunft und wo wir übernachten sind immer etwas ungewiss, nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“. Meistens stehen wir an Parks, Karawansereien Flussläufen, Aussichtspunkten, Seenufer, Friedhöfen (aber nur zum Übernachten). Eben da wo es attraktiv ist. Im schlimmsten Fall standen wir auch schon mal in Hinterhöfen. Fast täglich wechseln wir den Standort. In einigen Fällen bleiben wir auch für zwei oder drei Tage an einem schönen Übernachtungsplatz. In den Flüssen waschen wir unsere Wäsche. Einkaufen tun wir fast immer unterwegs direkt an der Strasse bei den Bauern und Nomaden.
Und so fahren wir weiter von Yazd über die Rabbits Caravanserai zum Mount Black und Salzsee. Weiter über die Taubentürme nach Mobarakeh südlich Isfahan mit ÜN im Sararud-Park. Und dann weiter nach Chelgerd und Übernachtung im Koohrang-Flusstal.
Von Chelgerd geht es weiter nach Fereydunshahr. Wir genießen die wunderbare Landschaft und finden einen ruhigen ÜN-Patz am Rande eines Parks. Manchmal habe ich einen siebten Sinn, eine innere Eingebung, wenn etwas nicht stimmt. So geschehen in dieser Kleinstadt. Tropft doch tatsächlich etwas Öl, vermutlich Servolenkungsöl auf den Boden. Zwei Jungs, die uns neugierig mit ihren Mopeds wie die Indianer umkreisen, winke ich zu mir. Zeige auf das Problem und frage nach „Mechanik“. Die Notfallkette nimmt ihren Lauf. Das Moped fährt mit Vollgas den Berg hinunter Richtung Stadt und es dauert keine zehn Minuten, bis der Junge mit einem Mechaniker auf dem Moped erscheint. Es wird bereits dunkel, die Hoffnung auf Hilfe schwindet, doch der Mechaniker gibt zu verstehen, daß wir ihm folgen sollen. Es folgt eine längere Fahrt mit unbekanntem Ziel. Wir vertrauen unseren Helfern. Wir passieren nach 1/2 Stunde Fahrt eine Schranke. Ein fast unbewohntes Industriegebiet stimmt uns nachdenklich. Unbehagen macht sich breit, bis wir vor einem Tor stehen bleiben sollen. Vier dunkle Gestalten bitten uns aus dem Wagen zu steigen, um das Problem zu beschreiben. Gesagt, getan, unsere Iraner helfen uns. Karlis Frontschürze wird demontiert. Eine mehrstündige Reparatur nimmt ihren Lauf. Ein O-Ring war gerissen. Doch woher so einen bekommen, wenn keiner vorhanden? Der Chef verschwindet mit dem Moped für eine Stunde während wir Tee trinken. Als dieser dann wieder erscheint nachts um 21 Uhr, wird alles montiert und Karli ist wieder dicht. Welch Glück! Als wir nach dem Preis fragen, schauen uns mehrere ratlose Gesichter an und geben uns zu verstehen, daß es ihnen egal ist was wir zahlen. „You are our guests“. Hat man so etwas schon erlebt? Ein langer Tag geht zu Ende.
Wir sind müde, haben schlecht geschlafen, als wir bei den Nomaden in der Nähe von Golbahar-e Atabaki einen Übernachtungsplatz finden. Wir waren diese Nacht nicht alleine. Eine Maus hat es sich bei uns gemütlich gemacht. Diese knabbert unsere Lebensmittel an und fühlt sich bei uns sauwohl, während ich um meine Elektrokabel bibbere. Solche Nager können einem das Fahrzeug kaputt fressen, geht es mir durch den Kopf. Sind doch da die Nomaden, die uns wieder helfen. Nasser, ein pfiffiger Iraner, zeigt uns nach der Ankunft sein Heimatdorf. Nasser fährt zu seinem Opa, besorgt uns eine Mausefalle. Welch Glück für uns, Pech für den kleinen Fresser. Die Falle schnappt zu, wenngleich ich ungerne Tiere töte.
Am nächsten Morgen wollen wir weiter nach Dorud, müssen dazu einen Pass überqueren. Voraussicht ist angesagt. Es gibt nur wenige Ausweichstellen bei Gegenverkehr. Und ausgerechnet an einer unübersichtlichen Stelle kollidieren fast zwei Laster mit uns. Alle steigen aus, jeder gibt seinen Ratschlag, um diese verzwickte Situation zu klären. Ich will 200 Meter zurücksetzen auf engster Piste. Unmöglich, Corinne will mich einweisen, wird von den Iranern lautstark übertönt, auf die Seite geschoben. Vor mir steht einer, hinter mir steht einer – das Chaos ist perfekt. Der Capitano steigt aus, bittet die Helfer zu einer Unterredung. Bitte die „Klappe“ halten, Tee trinken und Corinne übernimmt die Einwinkerfunktion. Nach einer halben Stunde entspannt sich die Situation. Die Iraner staunen, was ein eingespieltes Team so alles kann und sind überglücklich und dankbar.