Reise nach Marokko | Teil 3 – Marokko – vom Nordosten durchs Atlas-Gebirge in den Südwesten
Tanger Med – Chefchaouen – Rif-Gebirge – Tazekka-Nationalpark – Atlas-Gebirge – Anti-Atlas – Tafraoute – Guelmim
Im Rücken Europa, vor uns Afrika: so beginnt und endet die Überfahrt von Spanien nach Afrika.
Und wie geht es überhaupt weiter, fragen wir uns? Wir fahren an der Nordostküste von Marokko entlang und empfinden alles so ganz und gar nicht afrikanisch. Das soll Marokko sein? Alles blitzblank sauber, fast food an jeder Ecke. Touri-Schnäppchenangebote säumen die Strassen. Eigentlich alles viel zu europäisch und zu wenig spektakulär. Wir verwerfen unsere Planung kurzerhand und entschließen uns, das Rif-Gebirge anzusteuern. Deutsche Touris warnen uns. Ihr werdet schon sehen, auf was ihr euch da einlasst. Dort gibt es nur Rauschgiftdealer. Dort fahren Touristen besser nicht hin. Und das sagen die einem Capitano, der alkoholabstinent ist, noch nie eine Zigarette geraucht hat und bei dem Wort „Rauschgift“ hyperventiliert. Aber das Unbekannte lockt. Daher nichts wie hin.
Chefchaouen ist unsere erste Stadt, die wir besichtigen. Meinen Chef habe ich nicht gefunden, dafür aber eine Stadt mit engen, heimeligen Gassen, vielen Verkaufsläden, Restaurants, Cafes und einem fantastischen Flair. Immer wieder einen Besuch wert. Dass die alle Häuser blau anmalen, ist keine Modeerscheinung, sondern soll die Hitze in den warmen Monaten abhalten.
Euphorisch fahren wir die nächste Stadt an: Taounate. Beim Suchen nach einem Übernachtungsplatz spät abends in der Dämmerung haben wir die Idee, an einer Außenmauer zu dem Park eines Gouverneurs zu nächtigen. Natürlich haben wir vorher den uniformierten Nachtwächter um Erlaubnis gefragt. Wir fühlen uns sicher, sitzen beim Abendessen und schauen gerade den „Bergdoktor“, als es klopft und wir höflichst gebeten werden diesen Platz zu verlassen. Man könne uns keine Sicherheit zugestehen, der Platz sei zu gefährlich. Aber deshalb stehen wir doch bei Euch, daß ihr auf uns aufpasst, entgegne ich, immerhin habt ihr doch den Colt um den Bauch gewickelt. Nein, alle Argumente sind null und nichtig. Eine Eskorte wird Euch zu einem sicheren Platz begleiten. Die Eskorte waren dann ein Moped mit zwei undurchsichtigen Gestalten. Der ÜN-Platz eine Tankstelle, in dessen Nachbarschaft die Müllabführ ein und aus geht. Das nennt man marokkanisches Mobbing… 😏
Am nächsten Tag fliehen wir von Taounate in Richtung Tazekka Nationalpark. Unterwegs werden wir tatsächlich sehr oft gebeten anzuhalten, um Haschisch zu kaufen. Wir sehen vielleicht aus wie die 68er Generation, sind es aber nicht. Raucht Euer Zeug ohne uns.
Wir erreichen den Nationalpark, finden tolle einsame und unbeschreiblich schöne Natur und Plätze vor. Das entschädigt für vieles. Eine wunderbare Zeit.
Wir lesen, daß die Grotte von Friouato die größte von Nordafrika sein soll. Dinosaurierskelette wurden dort gefunden. Entsprechend groß ist unsere Erwartungshaltung. Als wir dort ankommen, erwartet uns eine riesige Baustelle. Geschlossen wegen Renovierungsarbeiten. Ein Aufpasser in einem Nachtwächterhäuschen beobachtet uns und bietet seine Dienste an, der Preis wird ausgehandelt. Am Eingang gibt es zur Sicherheit die Schutzhelme, Lampen bringen wir selber mit, und auf die Frage wann die Führung denn nun los geht, werde kurzerhand ich zum Führer ernannt. Das ist also die marokkanische Führung. Der „Nachtwächter“ gibt mir noch einige Tipps und erwartet uns in einer Stunde wieder am Einstieg.
Etwas mulmig und gaaaanz vorsichtig tasten wir uns in diese schon mystisch wirkende Grotte. Den Dino haben wir nicht gefunden, aber ein tolles Erlebnis. Mutterseelenallein in dieser riesigen Höhle – schon etwas gruselig. Auf die Frage warum die Grotte denn renoviert werden müsse, kommt die Antwort: aus Sicherheitsgründen, da vor einigen Jahren eine Touristin ums Leben kam. Gut, daß meine Führung bereits beendet ist.
Viele haben uns gewarnt, im Winter den Hohen Atlas zu befahren. Schnee, Eis und Geröll-Lawinen lassen diese Gebiete unpassierbar werden. Doch wir haben Glück. All das ist nicht eingetroffen. Wir lassen uns Zeit den Mittleren Atlas auszukundschaften, – selbst der Hohe Atlas zeigt uns sein schönstes Gesicht. Wir bewegen uns in hochalpinen Gegenden. Nahezu alleine, lediglich die Nomaden mit ihren Ziegen, Lämmern und Eseln vergolden uns die Zeit mit ihrer Gastfreundschaft. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein. Die Behausungen werden uns gezeigt. „Einfach“ ist maximal übertrieben. Für uns Europäer unvorstellbar, von was und wie diese Menschen hier leben. Und trotz aller Einfachheit werden wir zum Tee eingeladen und genießen die marokkanische Gastfreundschaft.
Auch „Karli“ verrichtet ganz zu unserer Zufriedenheit seine Dienste. Oft sind die geteerten Strassen „ausgefranst“, werden schmäler und sind zusätzlich unterbrochen von eingebrochenen Brücken über ausgetrockneten Flüssen. Immer wieder ist die Fahrbahn durch Regenfälle verursachte Furchen und Schlaglöcher fast unpassierbar. Hier sind wir froh, ein geländegängiges Fahrzeug zu haben. Für Wohnmobilisten ohne Allrad und Bodenfreiheit unmöglich. Einerseits ist diese Zweisamkeit ungewohnt, andererseits lernen wir damit umzugehen und respektieren die Natur mit all ihren Facetten.
Und so fahren wir von der Stadt Missour nach Er-Rich und besuchen in deren Nähe eine Palmen Oase. Kurz vor dem höchsten Pass Tizi-n-Ouano oberhalb der bekannten „Dades Schlucht“ übernachten wir bei Abdou, dem Besitzer einer kleinen Auberge, in 2.600 m. Es ist das erste Mal seit vielen Wochen, daß wir nicht alleine in der Wildnis übernachten.
Die Dades Schlucht ist bezaubernd, erfordert sie dennoch einiges an fahrerischem Geschick aufgrund der Pisten und Strassenverhältnisse. Silvester steht vor der Tür, daher entschließen wir uns einen Campingplatz aufzusuchen. Genug Zweisamkeit durchlebt. Menschen um sich zu haben, tut auch mal wieder gut. Wir treffen zwei belgische Paare mit ihren Kindern und ihren off-road Fahrzeugen und feiern in das Neue Jahr.
Mittlerer Atlas, hoher Atlas, und jetzt sind wir am Fuße vom Anti-Atlas. Bisher kannte ich lediglich den Welt-Atlas von Diercke. Wir fahren weiter nach Tachakchte, über den Pass Tizi Touggoukine. Übernachten an vielen einsamen Plätzen und genießen unser Leben. Weiter über Askaoun, Taliouine und Igherm bis zu dem Dorf Isil. Als wir uns dort die Beine vertreten, sehen wir dieses Dorf, das halb zerstört vor uns liegt. Hier hat das Erdbeben im September 2023 gewütet. Neugierig laufen wir in die Dorfmitte, als wir Kinderstimmen hören. Einige von ihnen spielen dort und nehmen uns augenscheinlich wahr. Neugierde und Ängstlichkeit spiegeln sich in ihren Gesichtern. Als wir näher kommen, rennen sie hinter die nächsten Häuserfassaden und rufen ihre Eltern zu Hilfe. Touristen, Weltreisende wie wir, sind in dieser Gegend fremd. Wir werden begutachtet, berührt, als ob wir von einem anderen Stern kommen. Eine Frau lädt uns zum Tee ein. Es ist Fatima, ihr Mann ist gerade auf dem Markt und sie hütet mit ihrem Sohn das Haus. Ihr altes Zuhause fiel dem Erbeben zum Opfer. Stolz zeigt sie uns ihr neues Haus, nicht vergleichbar mit europäischem Standard. Umso herzlicher die Einladung. Würden wir Deutsche marokkanische Nomaden einfach so einladen? Nachdenklich schauen Corinne und ich uns in die Augen…
Wir waren lange alleine unterwegs. Es zieht uns wieder zu den Menschen. In Tafraoute soll es einen riesigen Womo-Stellplatz geben. Dort erwartet uns eine gute Infrastruktur. Doch zuvor besuchen wir noch die Oase Ait Mansour und befahren am nächsten Tag eine schmale, steile Piste zu dem Ort Anirgui. Nur selten findet ein Fahrzeug den Weg in dieses Bergdorf. Herzlich werden wir von den Kindern empfangen. Wir übernachten an der einzigsten Moschee, wo ein Wenden unseres Fahrzeuges überhaupt möglich ist. Als wir am nächsten Morgen los fahren, rutsche ich bei einer engen Kurve mit dem Hinterreifen in einen Graben. Der Koffer pendelt nach rechts und schlägt an einen Stein. Mir stockt der Atem. Glück im Unglück. Die Airline Schiene hat die Wucht des Aufpralls abgefangen. Zwei kleine Löcher müssen dann in Deutschland repariert werden. Das ist der Preis, den man bezahlt bei solchen Abenteuern.
In Tafraoute beziehen wir einen riesigen Stellplatz. Hier treffen sich die Wohnmobilisten, Camper und Weltreisende mit ihren Trucks. Informationen werden ausgetauscht. Es wird nicht langweilig. Wir besuchen Sehenswürdigkeiten, bereiten Karli vor und überlegen, wie wir die weitere Reise gestalten. Die Westsahara ruft.
Auf dem Weg in die Westsahara kommen wir durch die Stadt Guelmim. Wir lesen etwas von einem Kamelmarkt. Hört sich doch interessant an. Also wird hier übernachtet. Und tatsächlich, auf einem Innenhof in einer Karawanserei sammeln sich Herden von Ziegen, Schafen, Kamelen und werden angepriesen. Dann werden wir auf deutsch angesprochen. Es ist Bekir, ein Kamelverkäufer, der sieben Jahre in Deutschland gearbeitet hat. Und dann auch noch in der Pfalz. Speyer ist ihm bestens vertraut – meine Geburtsstadt. Als ich auf seine Preisvorstellungen nicht eingehe, schlägt er mir einen Tauschhandel vor. Und wie soll der aussehen? Seine Augen wandern zu Corinne und dann zu mir. Dein „Täubchen“ für mein Kamel. Und das meint der wohl im Ernst. Bei aller Liebe, kann Dein Kamel etwa kochen, navigieren, einkaufen, und die vielen anderen Dinge? „Unverkäuflich“ ist die kurze und schnelle Antwort. Wir verlagern unseren Schwerpunkt zur Markthalle, in der Gemüse, Obst und allerlei Sachen verkauft werden. Hier kommt hoffentlich keiner auf solch abtrünnige Gedanken. Was würden meine Freunde sagen, wenn ich mit Karli und einem Kamel nach Deutschland käme. Ein außergewöhnlicher Tag. Das ist Afrika!