Reise nach Iran | Teil 12 – die Mitte
Abyaneh – Isfahan – Dena-Gebirge – Persepolis – Shiraz
September 2022:
Isfahan ruft. Eine moderne Stadt, von der wir schon so viel gehört haben. Der Meidan-e Emam Platz, die Fußgängerzonen, der Bazar und ein Treiben von Menschen und Verkehr wie im Hexenkessel. Um dorthin zu gelangen, fahren wir zu einem Hotel im Stadtkern. Dort können wir unsere Fahrzeuge abstellen und wollen uns für drei Tage für wenig Geld ein Zimmer mieten.
Wäre da nur nicht dieser chaotische Verkehr. Wir sind wie immer beide hochkonzentriert. Corinne’s Wortschatz hat sich auf ein Minimum reduziert. Vorsicht, links hinten, rechts, die wollen uns sandwichen, was macht der denn, der Sack, voll asozial, usw. Es gibt Regeln – wir haben sie leider noch nicht verstanden. Nur theoretisch. Jeder macht, was er will – Chaos pur. Wir sind erleichtert, als wir unser Fahrzeug unbeschädigt auf dem Hotelparkplatz abstellen können.
Und dann beziehen wir unser Zimmer. Wir sehnen uns nach einer Dusche ohne Wasserlimitierung. Wüstenstaub ade. Luxus tut manchmal auch gut.
Nachmittags ist die Stadt wie leer gefegt. Ab 18 Uhr beginnt das Treiben und Pulsieren dieser prächtigen Großstadt. Wir schlendern durch die Fußgängerzonen und der Besitzer von einem umgebauten VW-Kaffeebus lädt uns ein und erklärt uns „Taarof“. Soll heißen: der typische Iraner lädt uns ein. Antwort – nein danke. Das Gleiche wiederholt sich. Hat dieser sich nach dem zweiten Mal „nein danke“ noch immer nicht verabschiedet, wird es ernst. Nach der dritten Einladung kommt eine Ablehnung einer Beleidigung gleich. Da mußt Du einfach nachgeben und Dich auf dieses „tete-à-tete“ einlassen. Was dann folgt, ist eine Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft, wie wir sie in Deutschland nicht kennen.
Auf dem Meidan Platz picknicken hunderte von Leuten. Man hört Lachen, Schreien, Singen und die Stimmung ist einzigartig und leichtlebig. Uns streifen unzählige Blicke. Man erkennt, daß wir aus einer anderen Welt kommen. Eine Einladung folgt der anderen. Die Neugierde weckt Begehrlichkeiten und viele wollen von uns wissen, wie es außerhalb von Iran zugeht.
Der Besuch von Mausoleen, Bazaren, Moscheen, Teppichhändlern und typisch persischen Restaurants lassen uns wenig zur Ruhe kommen. Nach drei Tagen Isfahan sehnen wir uns wieder nach Ruhe und der unendlich scheinenden Wildnis des Irans. Wir fahren weiter in Richtung Süden.
Als wir einen abgelegenen Platz am Rande einer Siedlung beim Wasserfall Tang-e Boraq anfahren, parken wir vor einem Haus, verlassen unser Fahrzeug und sind auf dem Weg zu dem so hochgepriesenen Wasserfall. Nach nur wenigen Metern ruft eine Stimme „Stop, come back!“ Corinne zuckt zusammen: Hab ich’s mir doch gedacht, der will bestimmt, daß wir umparken. Will nicht, daß so ein LKW vor seinem Wohnzimmer parkt. Kleinlaut gehen wir zurück. Es ist Hössein, ein Iraner jungen Alters, der sich als Guide vorstellt und uns eine Führung anbietet. Und was fragt dann eine schwäbische Frau? Was koschtet’s? Die iranische Mimik zeigt uns ein noch größeres Fragezeichen. Was folgt, ist eine „First Class“ Führung mit anschließendem Essen bei ihm und seiner Frau Fatimah zu Hause und einer dicken Portion Eis. Woher die immer wissen, was der Capitano so gerne ißt? Wie immer die iranische Gastfreundschaft. Eine Entlohnung wird selbstverständlich nicht angenommen.
Und dann ist da die antike Stadt Persepolis, UNESCO-Weltkulturerbe. Gegründet von Dareios I., erobert und zerstört von Alexander dem Großen. Der Wüstensand hat diese Stadt in Sand eingehüllt und konserviert. Vor nicht allzu langer Zeit wieder ausgegraben, präsentiert sich Persepolis in gut erhaltenem Zustand. Die Sonne geht unter und eine ergreifende Stimmung überzieht die Ruinen. Wenn Steine reden könnten…
Auch wenn wir mit vollen Tanks (400 Liter) fast 3.000 km fahren können, halten wir nach wenigen hundert gefahrenen Kilometern an den LKW-Tankstellen an und versuchen an Diesel zu kommen. Wir können meistens nur zwischen 50 – 100 Liter bekommen. Der Iraner zahlt den Sprit immer mit seiner Karte wie im modernen „Westen“. Und nur mit dieser iranischen Karte ist Tanken möglich. Aufgrund der Sanktionen können Touristen aber nur bar bezahlen. Daher sind wir darauf angewiesen, dass uns die LKW-Boys etwas von ihrem Spritkontingent abgeben und unseren Diesel mit ihrer Karte bezahlen. Und wir geben ihnen das Geld dann in bar. Oft kommt es zu einer lustigen Runde mit netten Bekanntschaften. Wir mussten aber auch schon fünf Tankstellen anfahren, bis wir Glück hatten und es geklappt hat. Aber Weltreisende haben Zeit und suchen nun mal auch den Kontakt zu den Einheimischen.
Wir wollen nach Shiraz. Eine riesige Stadt mit unzähligen Moscheen und Sehenswürdigkeiten. Nur zu dumm, dass heute ein iranischer Feiertag ist und die größte und imposanteste Moschee Shah Cheragh mit dem Mausoleum von Ahmed bin Musa nur Einheimischen vorbehalten ist. Wir machen uns wenig Hoffnung, an diesem Ritual teilnehmen zu können. Am Haupteingang wuselt es nur so von schwarz gekleideten Iranerinnen. Zwei Touristen werden kurzerhand am Eingang abgewiesen. Wir stehen mit respektvollem Abstand etwas abseits, als uns ein vornehmer Herr zu sich bittet und fragt, ob wir in die Moschee wollen. Wir können es kaum glauben, stimmen sofort zu. Er bleibt bei uns, erklärt die Zeremonien und den Ablauf eines solchen heiligen Tages. Nur ganz wenige Touristen dürfen hier teilhaben. Glück muss man haben!
Wir setzen uns mitten in die vor der Moschee sitzenden Frauen. Es ist brechend voll. Unzählige neugierige Blicke sehen uns verwundert an. Manchmal hört man dezentes Kichern und es wird eifrig geflüstert. Es ist ein freundliches Miteinander und eine entspannte, lockere Atmosphäre. Zwischendrin stehen alle auf und sprechen irgendwelche für uns unverständliche Gebete. Wir machen alles mit und tun so als ob. Verstecken ist schwer möglich und so sind wir der absolute Mittelpunkt. Allah wird es uns hoffentlich verzeihen.