Reise nach Iran | Teil 10 – Nord-Iran:
Varzaqan – Vulkan Sabalan – Ardabil – Neor-See – Masouleh – Rud Khan Festung – Bandar Anzali – Alborz-Gebirge – Kaspisches Meer
Ausreise Armenien:
Da denkt man die Ausreise ist das kleinere Übel. Von wegen. 4 mal muss ich alle Staukästen aufschließen. 4 mal wollen die Beamten in unsere Kabine schauen, und dann werden genauso oft unsere persönlichen und „Karlis“ Papiere überprüft. Das nennt man armenische Vernetzung. Der Reisepass wird ca. 5 Minuten mit einer Lupe auf Echtheit überprüft, und ich dachte schon der Zoller sei extrem kurzsichtig. Zeitdauer: ca. 2,5 Std.
Einreise Iran:
Vernetzung – Fehlanzeige! Dieses Mal werden alle Vorgänge nur 3 mal gecheckt. Dazu noch die Überprüfung vom Carnet de Passage für unseren Karli. Wir brauchen nur 1,5 Std., dann dürfen wir die Schranke passieren mit den Worten: welcome in Iran.
Wir fahren noch einige Kilometer gemeinsam zum Varzaqan See, an dem wir die 1. Nacht verbringen. Beim Einkaufen in dem vorgelagerten Dorf werden wir freundlichst begrüßt und alle wollen sich zusammen mit uns beiden fotografieren lassen. Angekommen an unserem ÜN-Platz folgt eine Wagenkolonne aus dem Dorf, bringt Geschenke (Obst, Gemüse usw.) und sucht den Kontakt mit uns. Die Gruppenselfies kennt zwischenzeitlich jeder im Dorf. Wir werden mit unseren Namen angesprochen, bevor wir uns überhaupt vorgestellt haben. Vernetzung in Perfektion. Wir können es kaum fassen – kommen uns vor, als ob Eskimos mit ihren Schlittenhunden in Deutschland eingereist wären. Wir sind die Attraktion schlechthin.
Als wir am nächsten Tag Richtung Ahar fahren, werden wir von der mit Blaulicht überholenden Polizei angehalten. Corinne’s Gesicht hat die Gestalt eines Fragezeichens angenommen. Drei Polizisten walten ihres Amtes. Papiere, als auch Karli werden überprüft. Alles total höflich und freundlich. Wir sollen über unsere Herkunft und Reise erzählen. Das versuch mal einem Iraner mit Händen und Füßen näher zu bringen. Außenstehende würden uns als koordinativ gestört bezeichnen. Zum Abschluss entschuldigen sich die Beamten für die Kontrolle, öffnen den Kofferraum, – nix Kalaschnikov, sondern Gemüse und Obst werden uns geschenkt. In Deutschland hatte ich in der Vergangenheit stattdessen immer Punkte und saftige Geldstrafen erhalten.
Ardabil, eine attraktive Stadt, in der wir versuchen alles zu besorgen, was für das alltägliche Leben im Iran notwendig ist. Im Iran können wir nur bar bezahlen. Mit Karte dürfen nur die Einheimischen bezahlen, daher müssen wir unser mitgebrachtes deutsches Geld in Rials tauschen. Erklärung folgt. Ebenso das Besorgen einer SIM-Karte und eines iranischen Routers, ziemlich kompliziert. Erklärung folgt. Das Tanken von Diesel. Durchsetzungsvermögen und touristische Diplomatie sind gefordert. Erklärung folgt.
Wir werden auf der Strasse angesprochen mit wenigen Worten Englisch und Deutsch. Amir, ein 19 Jahr alter Iraner, lädt uns zu seiner Familie ein. Absagen unmöglich. Wir folgen der Einladung und lernen so die Gastfreundschaft und Kultur der Iraner kennen.
Iran im August. Es ist brüllend heiß. In 2.500 m zeigt das Thermometer noch über 30 Grad an. Nachts bewegen sich die Temperaturen in Meeresnähe zwischen 25 und 30 Grad. Hat man erst den Pass nach Masouleh passiert, trifft man auf die feucht heiße Luft vom Kaspischen Meer. Daher passen wir unseren Tagesrhythmus dem iranischen Lebensstil an. Das Hauptgeschäft muss bis 12 Uhr erledigt sein. Bis 17 Uhr ist effizientes Reisen schwierig. Danach sind eingeschränkte Aktivitäten möglich. In der 2. Tageshälfte liegt unser Augenmerk auf dem Finden eines schattigen Platzes. Hier und da sind Anfahrten über Sand-, Kies- und Schotterpisten unvermeidlich. Selbst das Durchfahren von Flüssen lässt sich nicht immer vermeiden. Herzklopfen ist angesagt. Idylische ÜN-Plätze inmitten unberührter Natur sind der Lohn für die ein oder andere Strapaze.
Wir verbringen eine Nacht am Neor See, passieren den Pass nach Masouleh in 2.300 m Höhe und besichtigen die Festung „Rud Khan„. Dazu sind über 2.000 Treppenstufen zu bewältigen. Wenn das schon früher so war, dann hatte der Feind spätestens, wenn er oben war, ausgekämpft. Auch eine Methode, den Angreifer kampfunfähig zu machen.
Bandar Anzali, ein nettes Küstenstädtchen am Kaspischen Meer. Kleine Tante Emma Läden in Hülle und Fülle, wäre da nicht dieser chaotische Verkehr, wir könnten uns richtig wohl fühlen.
Da war doch die Sache mit dem Tanken. Etwas kompliziert für uns Deutsche. Die Iraner tanken ganz elegant über eine Tankkarte, die ein bestimmtes Kontingent an Sprit beinhaltet. Wir dagegen können nur bar bezahlen, was der Tankwart nicht akzeptiert. Also sprechen wir die LKW-Fahrer an, ob wir auf ihre Karte tanken können. Der Iraner zahlt etwas 1 Cent/Liter Diesel. Wir können dann 50 bis 100 Liter tanken und er bekommt dann ca. 2 bis 5 Cent pro Liter von uns. In der modernen Geschäftssprache nennt man das eine „win-win Situation“. Für 100 Liter sind das für uns ca. 2 bis 5 €. Dafür gäbe es in Deutschland gerade mal 1 oder 2 Liter. Ist nicht immer so einfach, denn man muss die richtige Tankstelle und auch willige und geschäftstüchtige Iraner dazu finden, die auch noch genügend Diesel-Kontigent auf ihrer Tankkarte haben. Da ist dann an der Tankstelle ganz schön was los, wenn wir mit Karli auftauchen und „Gschäftle“ machen wollen. Bisher hatten wir aber fast immer Glück. Mit etwas Geschick und Charme kommt man hier sehr weit. Wohlgemerkt 1 € sind 320.000 Rials. Und mit diesen vielen Nullen kann man sich ganz schön vertun.
Wir fahren weiter über Rudsar in Richtung Alborz-Gebirge. Stoppen an einem kleinen Fluss und kaum sind wir ausgestiegen, werden wir zum Tee eingeladen. Was für eine lustige Runde. Wir werden berichten. Gastfreundschaft pur!
Tommy schlägt uns eine Tour durch das bekannte Alborz Gebirge vor. Der Pistenanteil ist wohl nicht ganz unerheblich. 170 km Gesamtlänge. Nach den ersten 30 km sind wir so durchgeschüttelt, daß wir am liebsten umkehren würden. Tommy aus unserer Gruppe ermutigt uns, weiter zu machen. Der Preis dafür wird sich lohnen und der Teer-Asphalt-Anteil soll sich erhöhen. Gesagt, getan und nach weiteren 50 km erleben wir am „Piche Bon Pass“ in 3.200 m eine einmalige grandiose Landschaft. Die feuchte Luft vom kaspischen Meer auf der einen Seite und auf der anderen Seite die schroffen und wilden Gebirgszüge, die das Zuhause von ganz armen und bescheidenen Nomaden darstellen. Wir können uns gar nicht satt sehen und sitzen oberhalb der Wolken bis die Sonne unter geht. Ist das alles Wirklichkeit???
Die Piste ist geschafft, wir ebenso. Doch nun ruft das Meer, was gar keines ist. Das Kaspische Meer ist der größte Binnensee der Welt. 250 mal so groß wie unser Bodensee. Und dort suchen wir einen schönen ÜN-Platz. Wir sehen in Abbasabad eine geschlossene Schranke, fahren dorthin und während ich mit dem „Einlasser“ um die Rials feilsche, kommt ein Iraner, fragt nach unseren Namen und Nationalität. It’s ok, you don’t have to pay entrance. You are my guests.
Es ist Omid und seine Brüder, die uns schon fast verlegen machen mit ihrer unübertrefflichen Art von Gastfreundschaft. Er weist uns einen super Platz zu, bringt uns morgens frischen Tee an unser Fahrzeug. Fragt uns mehrmals am Tag, ob er irgendetwas für uns tun kann. Abends werden wir zum Essen eingeladen, und wehe, wir lehnen ab, dann folgt kurze Zeit später ein Einkaufstüte voller Obst, am nächsten Tag ist es eine Tüte gefüllt mit Lebensmitteln. Wollen wir unsere SIM-Karte aufladen, ist sofort sein Bruder zur Stelle, begleitet uns mehrere Stunden in die Stadt. Übersetzt, verhandelt, bis alles perfekt ist. Und das alles ohne Gegenleistung, vollkommen selbstlos. Eine völlig andere Art von Gastfreundschaft zu der europäischen, die wir bisher so nicht kannten. Wir kommen sehr ins Nachdenken und können gar nicht richtig begreifen, wie uns geschieht. Nur ein kleiner Auszug, ich könnte noch viele andere positive Dinge erzählen. Der Abschied fällt schwer, kleine Geschenke unsererseits werden nur zögerlich angenommen. Trinkgeld zu geben wäre eine Beleidigung. So trennen sich unsere Wege schweren Herzens. Das nächste Abenteuer ruft!