Reise nach Iran | Teil 7 – Georgien:
Weinroute – Großer Kaukasus – Stepantsminda – Truso-Tal – Kloster Gelati – Kutaissi – Tskaltubo – Prometheus-Höhle
Sighnaghi, auch wieder eine tolle Stadt mit riesigen Festungsmauern. Durch das Stadttor im Zentrum haben wir gerade so durch gepasst. Auf den Kauf solch einer Pudelmütze mit den Mickey Mouse Stiefeln haben wir bei 35 Grad dann doch verzichtet.
Von Sighnaghi aus sind wir eine Weinroute nach Nordwesten gefahren. Erinnert mich an die Weinstrasse in meiner Heimat, der Pfalz. Ein Landsitz in Zinandali einem herrlichen Park war uns ein Autostopp wert. Unter anderem lag da Lenins Kopf auf dem Boden – ziemlich lieblos und verächtlich. Putin warte nur ab – igendwann ergeht es Dir genauso. Dann ist Feierabend mit dem großrussischen Reich.
Und dann war da dieser bisher schlimmste Moment unserer Reise. Die sogenannte „Heeresstrasse“ führt direkt in den Großen Kaukasus bis zur russischen Grenze. Wir wollen uns mit den anderen Fahrzeugen an einem Aussichtspunkt treffen und dort übernachten.
Etwas abseits gelegen auf einem Hügel stehen bereits die anderen. Wir kommen dazu, wollen uns dazu stellen, da empfiehlt Tommy, unser Leader, einen noch besseren Platz. Musst nur durch diese kleine Senke fahren, sei aber angeblich kein Problem – und ich vertraue vollends ohne mir selbst ein Bild zu machen. Mit etwas Schwung wird das schon klappen. Nix war’s. Ein Albtraum wird wahr. Wir stecken fest bis zu den Tanks. Alle Differentiale gesperrt, vorwärts – rückwärts. Nichts geht mehr. Mir ahnt Schlimmes. Ich kann’s nicht glauben. Warum habe ich mich auf die Aussage verlassen? Ich ärgere mich maßlos.
Corinne schaut mich mit großen Augen und blassem Gesicht an. Es ist wahr. Das Drama nimmt seinen Lauf.
Schaufeln raus, Bergegurte werden von mir ausgelegt. Die Arbeitskombi wird angelegt und es beginnt ein mühseliges, nicht endendes Drama. Regen ist angesagt. Wie soll es auch anders sein. Zwischenzeitlich ist Philippe angekommen mit seinem Unimog. Unsere Rettung? Wir verlängern die Bergegurte, da Philippe ca. 30 m außerhalb der Schlammsenke auf trockenem Untergrund sich plaziert. Wir lassen die Luft zur Hälfte aus unseren Reifen. Nach 3 Stunden Arbeit bin ich am Ende meiner Kräfte und wir können einen Versuch starten. Philippe zieht an und ??? Es tut sich gar nichts. Wir sind wie festbetoniert. Dann stellen wir den 13 Tonner MAN vor den Unimog. Vielleicht klappt’s dann. Eine Stunde später, weiterer Versuch – nichts geht, unsere Moral hat einen Tiefpunkt erreicht. Und dann fängt es an zu regnen. Wir brechen ab und verbringen eine schlaflose Nacht in unserem Schlammloch. Uns gehen unzählige Szenarien durch den Kopf!
Am nächsten Morgen, der Regen hat aufgehört, es ist bitterkalt (4 Grad) und es bläst ein eisiger Wind in über 2.000 m. In aller Frühe zwänge ich mich in die nassen Klamotten und versuche „Karli“ weiterhin aus seiner Umklammerung von Schlamm, Matsch und Dreck zu befreien. Zwei Stunden später kommt das erste Personal des Aussichtspunktes. Mit viel Überredungskunst und mit Händen und Füßen versuche ich, Hilfe zu organisieren. Ich treffe auf taube Ohren. Wo bleibt die Gastfreundschaft? Die Georgier geben mir zu verstehen: wir hätten die besten Fahrzeuge und sollen uns selber befreien.
Es ist bereits Mittag. Noch einmal stellt sich der Unimog zu einem weiteren Bergeversuch auf. Fehlgeschlagen. Der 13 Tonner MAN will sich davor stellen – und dann versinkt sein rechtes Hinterrad im Schlamm. Er nimmt eine bedrohliche Schräglage ein und uns bleibt fast der Atem stehen. Bergematerial wird umgebaut, der Unimog steht nun vor dem MAN. Wir schaffen wie die Wilden, und unsere Ideen gehen allmählich zu Ende. Philippe zieht an, und langsam bewegt sich das Monster. Der MAN kommt frei. Ein Stein fällt uns vom Herzen.
Jetzt noch die Sandbleche vor Karli, wir haben alles Erdenkliche optimiert, einige Georgier sind nun doch noch zu Hilfe gekommen und arbeiten mit. „Karli“ bewegt sich und Philippe zieht uns 100 Meter durch Dreck und Schlamm. Wir sind frei und liegen uns in den Armen. Ein Drama ist zu Ende!
Wir fahren weiter in den Großen Kaukasus nach Stepantsminda. Parken am Fuße des über 5.000 m hohen „Kazbegi“ mit phantastischer Aussicht. Einen Tag verbringe ich mit Säubern von „Karli“ und dem ganzen Drumherum. Die Bergwelt zieht uns in ihren Bann und lässt das Vergangene vergessen.
Von der „Heeresstrasse“ fahren wir in ein Quertal, genannt das Truso-Tal. 10 km anspruchsvolle Piste ist angesagt. Die großen LKW’s sind mit ihrer Bodenfreiheit und den großen Rädern im Vorteil. Wir schaffen die Piste bis zum Ende des Tals. Und ich bin ebenso geschafft. Pistenfahren war noch nie unsere Lieblingsdisziplin.
Hier sind in grandioser Bergwelt die Menschen bettelarm. Nur wenige Touristen verirren sich in solche Gegenden. Und das sind Overlander wie wir. Diese Gegenden sind nur mit geländegängigen Fahrzeugen erreichbar, und auch nur an 3 – 4 Monaten im Jahr. Wir haben Glück mit dem Wetter und können diese Strecke bewältigen.
Kurz zusammengefasst:
Werkstattbesuch – Besuch des Klosters Jvari bei Tiflis und der Felsenkirche Katskhi – tägliches Fitness mit Verstärkung – Respekt vor den LKW Fahrern in diesen Gegenden.
Nach dem Besuch des Klosters Gelati und der Stadt Kutaisi fahren wir nach Tskaltubo, eine ehemalige Hochburg mit Sanatorien und Bädern zu Zeiten des großrussischen Reiches. Vieles ist verlottert und verfallen. Einiges aber auch wieder aufgebaut und renoviert.
Nach anstrengendem Einkaufen sind wir neugierig, wollen wissen, wie es in solch einem Edel-Wellness-Sanatorium zugeht. Im Overlander-Outfit werden wir an der Reception vorstellig, lassen uns die Preisliste zeigen. Corinnes Schwabenherz schlägt bei diesen super Preisen schon am Limit und die Versuchung lockt. Aber wir haben nichts dabei, im Gegenteil, wir sind bepackt mit Plastiktüten rechts und links. Brot, Gemüse, Obst usw. Ist eine Massage möglich? Aber ja, sofort. Die Massagechefin zeigt mir eine Plastikunterhose. Oh no, thank you, my problem is in the back size S, in front I have XXL. Vier Damen hinter dem Tresen verdrehen die Augen und haben den Mund sperrangelweit offen. Und hinter mir sagt auch noch Corinne halblaut: Du Angeber.
Und schwubb di wubb liege ich auf der Liege und werde von vorne bis hinten durchgeknetet. Es war herrlich. Als ich gehe, werde ich von einer weiteren Dame gefragt, wann ich wieder komme. Es gibt schon tolle Momente im Leben.
Zu beschreiben, was ich hingegen bei der Besichtigung der vielen „lost places“ aus früheren Zeiten empfinde, rückt in den Hintergrund.